Stadtgeschichte(n) Folge 20: Von Brettern die die Welt bedeuten…
… kann die Geschichte Klingenthals in diesem Jahr seit genau 135 Jahren erzählen. 1886 wurden hier die ersten Paar Ski gebaut, damals von Stellmacher Karl Hirche. Auftraggeber war Oberlehrer Erwin Beck. Dem war eine Postkarte aus Norwegen in die Hände gefallen, auf welcher Männer mit Skiern abgebildet waren. Der mit ihm befreundete Harmonikafabrikant Dörfel (Steinfelser) hatte die Karte von einer Geschäftsreise aus dem Mutterland des Wintersports mitgebracht.
Erwin Beck hatte allen Grund, sich für das in Skandinavien genutzte Fortbewegungsmittel zu interessieren, denn auch im Raum Klingenthal waren die Winter hart und schneereich. Pfarrer Karl August Wolf berichtete einst über einen Winter in den 1860er Jahren, in welchem es im Februar und März so viel schneite, dass „man hier und da Schneetore gemacht hatte, durch die es in die Häuser ging.“ Insbesondere der Aschberg war regelmäßig mit großen Schneemassen von den anderen Ortsteilen nahezu abgeschnitten weil die „einzelnen Hütten des Ortes Aschberg auf dem unwirtlichsten und rauhesten Theile des Gebirges erbaut seien.“ Diese Sichtweise änderte sich erst, als der Wintersport seinen Siegeszug im Raum Klingenthal antrat.
Jener Erwin Beck war selbst kein gebürtiger Klingenthaler. Er wurde am 13. Oktober 1858 in Zschopau geboren. Wie sein Vater wurde auch Sohn Erwin Lehrer. Schon in seiner Jugend habe er eine ausgesprochene Vorliebe für das Laufen weiter Strecken entwickelt und übernachtete gern im Freien, schrieb später sein Enkelsohn über den Großvater. Diese persönlichen Erinnerungen sind heute Teil des Archivs des Musik- und Wintersportmuseums Klingenthal. Einmal, so erzählte man sich in der Familie, sei Erwin Beck von Klingenthal nach Plauen gelaufen, um seiner Frau, welche dorthin mit dem Zug gereist war, den von ihr vergessenen Regenschirm zu überbringen.
Portrait von Erwin Beck (1858 – 1940)
Kein Wunder also, dass sich der naturliebende und ausdauernde Erwin Beck für den Langlauf begeisterte. Seit 1883 war er Lehrer an der Goetheschule in Klingenthal und 1886 bewegte er sich erstmals auf Skiern durch den Ort. Wohl war er sich dem Aufsehen der Bevölkerung bewusst, wie sonst hätte er das Interesse der Klingenthaler schnell auf sich und seine „neuartigen“ Skier lenken können. Schon 1893 gab Beck seinen Schülern Skiunterricht. Längst hatten mehr Stellmacher das Herstellen von Skiern übernommen, denn die zuerst von der Jugend im Ort genutzten Fassdauben, welche mit Bindfäden an die Schuhe befestigt wurden, waren nur wenig geeignet. Sogar Geigenmacher sollen sich nebenbei im Herstellen von Skiern geübt haben. Chronist Curt Erich Dörfel berichtet um 1900 von einer rasant steigenden Zahl von Einwohnern, welche sowohl im Berufsalltag, beispielsweise bei der Postzustellung, als auch in der Freizeit dem neuen Fortbewegungsmittel huldigten. „Nun beginnt auch der Aschberg die Skiläufer stärker anzuziehen. 1913 bekommt er die erste Skihütte.“, berichtete Dörfel. Schon 1908 war der erste Wintersportverein im klingenden Tal, der WSV Aschberg gegründet worden. 1920 wurde im Dürrenbachtal die erste größere Schanzenanlage – die „Reinhold Glaß – Schanze“ - errichtet. Sie wurde nach einem im 1. Weltkrieg gefallenen Skipionier vom Aschberg benannt. Dessen jüngerer Bruder Walter Glaß (I), dem er einst das Skifahren beigebracht hatte, wurde Klingenthals erster Teilnehmer an Olympischen Spielen, das war 1928 in St. Moritz.
An Nachwuchs mangelte es seither nicht, Weltmeisterschafts- und Olympiamedaillengewinner gingen in den vergangenen Jahrzehnten aus dieser Tradition hervor. So haben auch sportliche Großereignisse, wie die Deutschen Skimeisterschaften 1929 oder heute, wenn in der Sparkasse Vogtland Arena sich die Elite in den Weltcupserien des Nordischen Skisports misst, ihren Ursprung in jenen Brettern des Erwin Beck, mit welchen Klingenthal neben dem Musikinstrumentenbau Weltruhm erlangte. Für Erwin Beck waren die Skier so etwas wie eine zweite Haut geworden, schon hochbetagt gab er noch 1938 aushilfsweise Skiunterricht. 1940 ist er gestorben.Am Haus an der Auerbacher Straße/ Obere Marktstraße erinnerte seit 1997 eine Gedenktafel an den Skipionier. Jetzt wurde die Tafel auf Initiative von Manfred Gäbler und Klaus Grimm erneuert. Der Museumsverein übernahm die Kosten. Im Frühjahr soll diese neue Tafel angebracht werden.